Wissenswertes

Schmetterlinge in Westniedersachsen

Westniedersachsen gilt als relativ schmetterlingsarm - weniger als 2.000 Schmetterlingsarten leben hier (in Deutschland gibt es insgesamt zirka 3.700 Arten). Weil unser "plattes Land" stark landwirtschaftlich genutzt wird, ist die Landschaft in weiten Teilen ziemlich monoton. Maisäcker und Viehweiden prägen das Landschaftsbild weitgehend und lassen nur wenig Platz für naturnahe Restflächen. Trotzdem gibt es in Niedersachsen zwei Lebensraumtypen, die sonst nur in wenigen anderen Bundesländern zu finden sind: Hochmoore und verschiedene Küstenlebensräume. Niedersachsen ist sogar das moorreichste Bundesland - etliche Moorspezialisten unter den Schmetterlingen kann man hier noch finden, während sie in anderen Bundesländern ausgestorben sind. Aus diesem Grund erforschen wir die Restmoore in unserer Umgebung.

Und auch für Küstenschmetterlinge gibt es vor allem auf den Ostfriesischen Inseln ideale Lebensbedingungen. Wer sich hier mit Schmetterlingen befasst, muss allerdings eine Anreise mit der Fähre und einen meist erschwerten Transport der Ausrüstung mit einem Handwagen (die meisten Inseln sind autofrei) in Kauf nehmen. Aufgrund der teils tiedeabhängigen Fährzeiten, der oft langen Wartezeiten bei Unterkunftsbuchungen und der (je nach Komfort) hohen Übernachtungskosten, wird eine Inselexkursion in der Regel weit im voraus geplant und oft sogar mit einem Jahresurlaub verbunden. Man kann sich vorstellen, dass die auf den Ostfriesischen Inseln zusammengetragenen Daten über Schmetterlinge sehr lückenhaft sind. Seit 2008 erforscht Dipl.-Biologe Carsten Heinecke die bewohnten ostfriesischen Inseln im Rahmen mehrer aufeinander folgender NABU-Projekte und hat zu diesem Thema ein Buch geschrieben:

Schmetterlinge der Ostfriesischen Inseln - Eine Anleitung für Entdecker (ISBN 978-3-00-049104-7).

Erfassungsgrad

Aufgrund der relativen Artenarmmut und der erschwerten Erfassungsbedingungen (zumindest auf den Ostfriesischen Inseln) ist Westniedersachsen bisher hinsichtlich der Schmetterlinge nur wenig untersucht worden. Besonders die westlichen Landkreise (Ammerland, Friesland, Wittmund, Aurich, Leer, Emsland, Cloppenburg und Grafschaft Bentheim) sind schlecht untersucht. Es gibt hier noch weite Landstriche und interessante Naturschutzgebiete, aus denen gar keine Schmetterlingsdaten bekannt sind. Nur sehr punktuell wurden hier (oft im Rahmen unveröffentlichter Gutachten) Daten erhoben.

Die Datenlücken in Westniedersachsen sind auch damit begründet, dass es hier nur wenig Schmetterlingsforscher gab und gibt. Alte, umfassende Aufzeichnungen über Schmetterlingsvorkommen sind zum Beispiel aus dem Bremer Raum bekannt. Auch von den Ostfriesischen Inseln gibt es eine Reihe Altdaten, doch insgesamt ist Westniedersachsen in weiten Teilen hinsichtlich der Schmetterlingsvorkommen noch unerforscht.

Schmetterlingsschutz in Westniedersachsen

Lungenenzian-Ameisenbläuling (Foto: C. Heinecke)

Bekanntlich kann man nur das schützen, was man kennt. Um also gezielte Schutzmaßnahmen durchzuführen, muss die tatsächliche Verbreitung und Lebensweise der einzelnen Schmetterlingsarten bekannt sein. Wir tragen in Westniedersachsen dazu bei, die Verbreitung von Schmetterlingen zu erfassen. Dabei untersuchen wir schwerpunktmäßig die Moorgebiete in der Umgebung Oldenburgs. Ab einem bestimmten Untersuchungsgrad werden wir beginnen, gezielte Schutzmaßnahmen zur Förderung seltener Schmetterlinge zu formulieren. Teilweise haben wir damit schon begonnen. Beispielsweise kommt in einem kleinen Schutzgebiet im Landkreis Cuxhaven eine Restpopulation des Lungenenzian-Ameisenbläulings (Maculinea alcon) vor. Aufgrund unserer Untersuchungen führt die Untere Naturschutzbehörde dort kleine Maßnahmen durch, um die Ausbreitung der Raupenwirtspflanze (Lungenenzian) zu fördern.

Geplant sind außerdem Schutzmaßnahmen für den Hochmoorbläuling und den Hochmoor-Perlmutterfalter. Deren Lebensräume sollen in zwei Moorgebieten verbessert werden. Genaueres werden wir auf dieser Homepage berichten.

Artenschutz erfordert immer die Entscheidung, den Lebensraum für eine bestimmte Art oder Artengruppe zu verbessern. Die vorgenommen Maßnahmen schaden aber in der Regel anderen Arten, die nicht im Fokus des Schutzprogrammes stehen. Beispielseise werden zum Schutz von Wiesenvögeln große Wiesenflächen offen gehalten (vor Verbuschung geschützt). Solche Maßnahmen nützen zwar den Wiesenvögeln, einigen Schmetterlingen schaden sie allerdings, weil der Windschutz und bestimmte kleinräumige Strukturen verloren gehen.

Ein Beispiel: Der Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia), ein äußerst seltener Tagfalter, für den bundesweit eine hohe Schutzverantwortung besteht, kam bis in die 1980-er Jahre noch auf einer Magerwiese in Ostfriesland vor. 1980 zählte der Naturschützer Klaus Rettig noch 147 Falter. Seitdem jedoch ein die Wiese umgebender Waldstreifen im Rahmen des Wiesenvogelschutzes gerodet wurde, verschwand der seltene Tagfalter. Die letzten wenigen Tiere fand Klaus Rettig dort 1982. Möglicherweise haben auch andere, bisher unbekannte Faktoren zum Erlöschen dieser Falter-Population geführt; doch aufgrund der an der Küste ausgeprägten Winde ist das Ausbleiben des Windschutzes in diesem relativ kleinräumigen Areal vermutlich einer der Hauptgründe für das Veschwinden des Skabiosen-Scheckenfalters.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Schmetterlingsschutz in Westniedersachsen bisher keine große Lobby hat. Wahrscheinlich sterben vor allem in kleineren Lebensräumen unbemerkt ganze Populationen seltener Schmetterlinge aus. Dass solch ein Ereignis einem aufmerksamen Naturfreund auffällt, ist eher die Ausnahme.